Politik

Warum wir uns über die politische Situation Deutschlands Sorgen machen sollten

Angela Merkels angekündigter Rückzug aus der Führung der deutschen Christdemokraten schließt eine historische Periode ab, in der sie eine Erweiterung der deutschen Macht und des deutschen Einflusses auf die europäische Integration durch die globale Finanzkrise und dann den Aufstieg populistischer Parteien überwachte, die ihrer Richtung scharf kritisch gegenüberstanden. Der Wettlauf um ihre Nachfolge eröffnet Raum für eine Debatte darüber, wohin Deutschland in Europa in der kommenden Zeit gehen wird.

Merkels Verabschiedung ist durch den Aufstieg des Rechtspopulismus in Deutschland selbst gekennzeichnet, da sich die Partei Alternative für Deutschland in allen Bundesländern etabliert und nun bei Abstimmungen und Umfragen rund 15 Prozent erreicht. Sie befürwortet einen erneuerten deutschen Nationalismus neben einem globalen Handelsambition und der Feindseligkeit gegenüber Einwanderung und möchte, dass Deutschland den Euro verlässt oder ihn auf einem kleineren nördlichen Kern zurückerstattet.

Sein Durchbruch hat solche Positionen normalisiert, indem er die deutsche Politik nach rechts gelenkt hat. Die CDU steht vor der Wahl, diesen Weg zu gehen oder neue Varianten von Merkels zentristischem Sozialliberalismus und ihrem Engagement für europäische Lösungen zu finden. Während ihres Aufstiegs wurde das Land introvertierter und selbstgefällig mit seinem wirtschaftlichen Erfolg und verlor die Gegenseitigkeit aus den Augen, die frühere Phasen seiner Europapolitik belebte, so Kritiker wie der Philosoph und Soziologe Habermas.

Standpunkt zur Integration

Seine linksliberale Haltung zur Integration hat eine Generation von Akademikern und Aktivisten beeinflusst. Sie lehnen den deutschen Nationalismus ab und fordern eine postnationale Zukunft für Europa, die auf einer gemeinsamen Öffentlichkeit beruht, um eine gemeinsame Politik und eine länderübergreifende Sozial- und Wirtschaftspolitik zu schaffen.

In einer kürzlich gehaltenen Rede vor einem Universitätspublikum in Frankfurt äußert sich Habermas sehr viel pessimistischer über den tatsächlichen Verlauf der Ereignisse. Besonders entmutigt ihn das Versagen der sozialdemokratischen Parteien, Alternativen zum Marktliberalismus zu entwickeln, der die nationale Politik in Deutschland und anderswo belebt. Er bewundert die ehrgeizigen Bemühungen von Emmanuel Macron, den Euro zu stärken und eine europäische Armee zu schaffen. Aber er argumentiert, dass die deutsche Zurückhaltung bei der Reaktion kurzsichtig ist – und grundsätzlich gegen die eigenen Interessen Deutschlands.

Anstatt eine Konvergenz zwischen reicheren und ärmeren Regionen und Ländern in der Europäischen Union zu schaffen, haben das unvollständige Euro-Regime und das Fehlen einer Umverteilungskapazität die Ungleichheiten vergrößert. Das ist vor allem zwischen Nord und Süd, aber auch zwischen Ost und West zu beobachten. Der Populismus hat seinen Ursprung in diesen Unterschieden und nicht in den neueren Einwanderungskrisen, argumentiert er.

Deutschland ist taub für solche Kritik, greift Ideen einer Umverteilungsunion als moralische Gefahr an und versteht nicht, dass sein eigener Wohlstand, der auf kontinentalen Freihandels- und Exportmärkten beruht, politische Gegenseitigkeit und eine Politik der Gegenseitigkeit erfordert. Wie er es ausdrückt, „ist das starre, auf Regeln basierende System, das den Mitgliedstaaten der Eurozone auferlegt wird, ohne kompensatorische Kompetenzen und Raum für eine flexible gemeinsame Geschäftsführung zu schaffen, ein Arrangement zum Vorteil der wirtschaftlich stärkeren Mitglieder“.

Länderübergreifender Zugang

Ulrike Guérot, eine weitere linksliberale Kritikerin der deutschen Politik, weist darauf hin, dass Güter, Kapital und Arbeit im Binnenmarkt zwar länderübergreifend gleichberechtigt zugänglich sind, die Bürger aber nicht. Zusammen mit dem österreichischen Schriftsteller Robert Menasse und Theatergruppen auf dem ganzen Kontinent (aber nicht in Irland) startet sie ein europäisches Balkonprojekt zum Jahrestag des Endes des Ersten Weltkriegs mit dem Aufruf zur Europäischen Republik, die auf der Volkssouveränität, den Städten und Regionen basiert.

Während Habermas die aktuelle europäische Politik aus akademischer Sicht eher düster sieht, hat er sich als Aktivist mit einer einflussreichen Gruppe deutscher Führungspersönlichkeiten zusammengetan, um auf Veränderungen zu drängen. Gemeinsam mit dem ehemaligen Finanzminister Hans Eichel, dem ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch, dem Juristen und CDU-Politiker Friedrich Merz, dem Chefvolkswirt des Handelsblattes Bert Rürup und der ehemaligen Justiz- und Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries fordern sie in der Wirtschaftszeitung Handelsblatt mehr Solidarität, eine europäische Armee, ein Kerneuropa mit Deutschland und Frankreich, einen stärkeren Euro und mehr Kompromisse von Deutschland, um all dies zu erreichen. Die interessanteste Figur ist dabei Merz, der eher europafreundliche der drei Hauptanwärter auf die CDU-Führung. Er wünscht sich eine substantiellere und sympathischere deutsche Antwort auf die europäische Agenda von Macron, insbesondere auf die Euro-Zone. Diese Debatte sollte beobachtet werden, da alle Europäer von ihrem Ergebnis betroffen sein werden.